Sonntag, 8. Januar 2012

8 Italy. Reggio di Calabria >> Venice >> Alps





Das nächste, größere Ziel der Italien-Umrundung war Taranto Ende Mai 2006. Ich wollte bis zum Spätherbst an der südlich gelegenen Mittelmeerküste Spaniens sein. Es ging zügig voran, da die Strecke verhältnismäßig flach war. 
Obiges Foto spiegelt für meine Begriffe gut die Stimmung wider, die man beim schnurgeraden Fahren entlang dieser Straße hat. Es scheint eine warme Sonne, der Frühling ist in vollster Blüte. Man kann in dieser Stille seinen Gedanken nachhängen. Das ist eine Erholung für die Seele. Die tägliche Ausarbeitung auf dem Rad, die vielen, farbigen Details, wie Blumen, Gräser, Vögel, Schmetterlinge, denen man ständig begegnet, sind das Beste für die Gesundheit.  
Otranto ist erreicht. Nun soll es zügig in Richtung der größeren Städte wie Brindisi, Bari und die Halbinsel Gargano, dem Stiefelsporn Italiens, gehen. Nach einer kurzen Atempause heißt es wie schon so oft Abschied nehmen.
Am 10.06.06 fuhr ich bei starkem Gegenwind von Molfetta ab. Ein Fahrrad mit viel Gepäck hat noch mehr Luftwiderstand. So schaffte ich nur 87 km und konnte mich für zwei Tage in einem Camping kurz vor Manfredonia ausruhen. Dies erwies sich als notwendig, denn von nun an ging es bei großer Hitze, teils über 40 Grad, bergauf und -ab die Südküste des Gargano entlang. Dieser Tag ist mir als besonderes Erlebnis noch in guter Erinnerung.
Als ich durch die Südseite des Gargano fuhr, verpaßte ich einmal die Abfahrt vor einem fast zwei km langen Tunnel. Dieser war für Radfahrer verboten. Ich hatte nun keine Wahl mehr und mußte da durch.
Ein langer Hupton unterbrach meine Gedanken. Mir ging durch den Kopf, dass es sich dabei nur um einen Deutschen handeln könnte. Tatsächlich, ein Auto mit deutschem Kennzeichen überholte mich.
Kurz nachdem ich aus dem Tunnel heraus war, winkte mich ein Carabinieri an den Straßenrand. Ich erklärte ihm, dass ich die Abfahrt verpaßt hatte. Da gerade die Fußball-Weltmeisterschaft lief, kam das Gespräch schnell darauf. Ich prophezeite ihm, dass Italien es schaffen würde, was dann auch eintrat.
Wir freuten uns und lachten unter der warmen Sonne des Gargano. Er verwarnte mich, ohne Zahlung einer Strafe. Ich schrieb schon mal, sich die Polizei auf solch einer Tour zum Freund zu machen.
Der südliche Gargano ist eine ruhige, grüne Landschaft mit vielen Badebuchten und klarem Wasser.
Die Nordseite ist relativ flach und hat weite Strände.
Am Abend des 17.6.2006 fand ich ein Camping zwischen Pescara und Ancona, wo ich eigentlich nur eine Nacht bleiben wollte. Es wurde aber eine Woche, weil es mir zwischen den Italienern so gut gefiel. Ich freundete mich schnell mit Ihnen an und wurde oft eingeladen. Eine Familie fiel jedoch aus dem Rahmen. Sie waren Nachbarn von meinem Zelt und schon Rentner. Sie grüßten mich nicht und auch ihren Enkelkindern wurde es nicht gestattet, weil ich Deutscher war.(wegen des 2. Weltkriegs) Die jungen Eltern der Kinder hatten dagegen kein Problem mit mir und waren freundlich. 
Im flachen Land war es nicht schwer, mit Rad und Gepäck gen Norden zu kommen. Ich passierte die bekannten Touristenorte, wie Rimini, und freute mich schon auf Venedig. Bereits am 29.6.06 traf ich nach einigen längeren Etappen dort ein und baute mein Zelt in einem ziemlich staubigen Camping auf. Gleich danach saß ich wieder auf dem Rad, um auf einem langen Seedamm nach Venedig zu fahren. Selbst Fahrräder darf man in dieser Lagunenstadt nicht benutzen. Nur mit dem Boot oder zu Fuß.
Venedig
30.6.06
Nach Venedig blieb mir nur noch, ab dem 01.7. 06 quer durch den Norden Italiens zu fahren, um die Alpen in Richtung Frankreich zu erreichen. Auf dieser Strecke sollte ich noch ein paar unvergeßliche Erlebnisse haben. Aber nach 145 km, in S. Croce bei Sermide, war die Fahrt schon wieder zu Ende.
Am späten Abend fragte ich in einem Haus, ob der Aufbau meines Zelts auf einer Wiese möglich wäre. Klar, das ging in Ordnung. Gleichzeitig der Tip, am nächsten Morgen doch mal in der Bar des Ortes vorbeizuschauen. Machte ich dann auch, freundete mich mit den Leuten an und blieb bis zum 18. 7. in diesem ruhigen italienischen Ort ohne Tourismus. Ich konnte mein Zelt im Garten des Barbesitzers aufschlagen und ausgiebige Touren in die Umgebung, wie Ferrara, Modena, Mantova, unternehmen. 
Noch heute habe ich die schönsten Erinnerungen an diese Zeit. Ich wurde sogar vom Chef in eine kleine Käsefabrik eingeladen.
 
Als ich ein paar hundert Meter in die Stadt Casalmaggiore eingefahren war, begegnete mir eine Frau, die gerade Müll wegbrachte. Im letzten Moment, bevor sie verschwand, konnte ich sie um eine Auskunft bitten. So kamen wir in´s Gespräch, das damit endete, mich in ihr Haus zu einer Tasse Kaffe einzuladen. Ihr Mann war gerade im Hause. Aus einer Tasse wurden zwei und so ergab es sich, dass ich gleich im Hause übernachten sollte. So blieb ich zwei Tage und denke immer gerne an die Großzügigkeit der italienischen Freunde zurück.
Inzwischen herrschten jeden Tag in Norditalien hohe Temperaturen, die regelmäßiges Trinken beim Radfahren notwendig machten.
Ein besonderer "Luxus" war folgender: Ich kaufte mir im Supermarkt kalte Milch, mischte sie draußen am Rad mit löslichem Kaffe und Süßstoff in einem Becher. Fertig war das erfrischende Getränk. 
Weiter über Cremona in Richtung Pavia
Nach über 100 km Fahrt kam ich in den kleinen Ort Barbianello, wo ich an einer Bar hielt, um nach dem Weg zu fragen. Lauter junge Leute um einen Tisch herum. Ich bedankte mich und fuhr weiter. Gerade, als ich um die nächste Ecke bog, hörte ich ein Rufen. Also umkehren, vielleicht gab es noch etwas Wichtiges. Es war die Einladung zu einem Bier, dem bald ein zweites folgte. Wir unterhielten uns angeregt und ich fragte einen  jungen Mann, ob er einen Platz für mein Zelt für eine Nacht wüßte. Er dachte kurz nach und sagte, ich solle ihm hinterherfahren zu seinem Elternhaus, einem Bauernhof.
Als wir ankamen, war der Vater ganz begeistert. Sofort wurde der Tisch gedeckt und etliche Speisen und Getränke aufgetragen. Ich dachte, das Ganze zu träumen. Die sagenhafte italienische Großzügigkeit und Gastfreundschaft. Später kam die Mutter nach Hause und war im ersten Augenblick etwas überrascht, wer da angekommen war.
Mein Zelt konnte ich im Garten aufbauen. Der Duschraum wurde mir gezeigt. Wir aßen jeden Tag zusammen. Mal drinnen, mal draußen im Schatten. Ich lud sie dann mal in´s Restaurant ein. Nach ein paar Tagen kannte mich die ganze Verwandtschaft aus dem Dorf. Ab und zu schreibe ich Ihnen und möchte sie mal wieder besuchen. Großartige Leute. Von diesem Dorf aus konnte ich bequem mit dem Rad Pavia und Mailand zur Besichtung erreichen.
Es ist Ende Juli und Zeit, sich von ganz herzlichen Leuten zu verabschieden. Meine Aufenthalt in Italien ging zu Ende. Fast ein Jahr war ich nun schon unterwegs. Am 31.7.06 werde ich den heißesten Tag meiner Tour erleben. Das Thermometer zeigte bei schwülem Wetter über 40 Grad an, was mich nicht abhielt, die Tour fortzusetzen. Die Richtung war Alessandria, Asti. Vor Asti ging ich in ein Geschäft, um mich auszuruhen und etwas Kühles zu trinken. Die hohe Belastung durch die Hitze war zu spüren.
Von weitem ständiges Donnergrollen. 10 km vor Alba war endgültig Schluß, nach genau 107 km. Krämpfe in den Beinen. Nach kurzer Pause noch ein Versuch, nichts ging mehr. Der Skelettmuskel schaltet sich vor dem Herzmuskel ab. Ein Schutzmechanismus der Natur.
In der Nähe war ein Bauernhof, wo gerade Paprikaschoten sortiert und verpackt wurden. Der Bauer bot mir an, mein Zelt nicht auf der Wiese aufzubauen, sondern die Nacht im leeren Gewächshaus zu verbringen. Nun konnte ich allmählich zur Ruhe kommen und mich erholen. Am nächsten Morgen war jegliche Schwäche wie weggeblasen. Es ging weiter. Diese Situation mit den Beinen hatte ich nur ein einziges Mal während der gesamten Tour erlebt.
Nach Cuneo (534 alt.) wurde es ernst. Stetiger Anstieg. Einige km nach Vinadio waren 905 m erreicht. Noch fast 1100 m Höhenunterschied bis zum Paß. Zeit für die Übernachtung.
02.8.06, 12:57 Uhr. Ich bin zurück in Frankreich. Bald werde ich in Spanien sein und das Spiel mit der Sprache wird von vorne beginnen. Wieder werde ich dafür die richtigen Leute, in diesem Falle Spanier und Südamerikaner, treffen.   








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